VG News vom 30.05.2025    |    Herausgeber: www.virtual-galopp.de    |    Redaktion: Conny

Remember

Geschichte
Knallebumm
Ein neuer Job
Die Schlange der Menschen war lang, sehr lang. Der Mann stand irgendwo in der Mitte und wartete mit den anderen.

Es ging sehr langsam vorwärts. Es war genug Zeit, um über alles Mögliche noch nachzudenken und wenn er den Schritt nach vorn verpasste, bekam er vom Hintermann einen Knuff mit dem Ellenbogen. Das war normal und üblich unter den Männern.

Er war einer von vielen, die auf der Suche nach einer Arbeit gewesen sind und sich auf die Anzeige in der Zeitung gemeldet haben.

Es war ein großer Konzern, einer der sich auf Bergbau spezialisiert hatte und jetzt Schürfrechte in der ganzen Welt kaufte. Fast wöchentlich wurden neue Schächte zu Förderung der Erze aufgemacht und dafür wurde auch Personal gebraucht. Ausgebildetes Personal war gefragt und wurde entsprechend teuer bezahlt.

Der Mann schaute sich genervt um, nach ihm war die Schlange ähnlich lang, wir vor ihm, es ging sehr schleppend voran. Ihn hatten sie wegen seiner Erfahrung mit Pferden mit Kusshand genommen und der Lohne, der in Aussicht gestellt wurde war hoch. Er sollte sich um die Pferde kümmern, die im Schacht eingesetzt wurden.

Arme Tiere, sie fuhren jung ein und kamen erst alt wieder ans Tageslicht, wenn sie es überhaupt schafften. Das Arbeitsleben war lang und sie mussten sich auf die Enge und die Dunkelheit einstellen.
Der Mann seufzte, wer weiß, was ihn da erwartete. Angeblich wurden die Pferde ja geachtet und gut gepflegt, es fehlte an erfahrenem Personal. Aber nun stand er ja hier und wartete auf seine erste Einfahrt in den Schacht.

Der Mann war nervös. Er selbst hatte auch noch nie in einem Schacht gearbeitet. Nicht dass er Platzangst hatte, aber es war schon eine Umstellung, finster, eng und harte Arbeit.

In der Hand hielt er die Papiere, die er dem Steiger am Förderkorb vorweisen musste, um die Fahrt zu beginnen. Acht Stunden Arbeit, dann war es ja vorbei und er konnte ausfahren, aber die Pferde blieben unten, im Finsteren, im Schacht.

Der Mann freute sich jetzt schon auf seine Ausfahrt, auf das Ende der ersten Schicht. Wahrscheinlich wird er sich auf das Bett schmeißen und erst einmal richtig ausschlafen, bis er dann am nächsten Tag wieder einfahren muss.

Der Vertrag läuft über fünf Jahre. Wer hat schon einen so lange geltenden Vertrag über einen Job, der ihm auch noch Spaß macht? Er war schon ein Glückspilz.

Der Mann lächelte. Er musste ja auch einmal Glück haben im Leben. Arbeiten konnte er, auch harte Arbeit war ihm nicht fremd. Und irgendwann sind fünf Jahre vorbei und dann sehen wir weiter...
Die Papiere in der Hand des Mannes raschelten im Wind. Sein Blick fiel auf drei Seiten mit Maschine beschriebenes Papier, automatisch begann er den Text noch einmal zu überfliegen. Ah, da stand ja auch das heutige Datum, seine erste Einfahrt.

Seine erste Einfahrt?

Das stand da aber nicht, das hatte er sich gewünscht. Da stand Einfahrt. Seine Einfahrt sollte heute sein und in fünf Jahren wieder raus?

Fünf Jahre unter Tage?

Der Mann sah sich um, die Schlange hatte nicht abgenommen, alle warteten geduldig.

Er schritt einen Schritt zur Seite, in seiner Hand knüllten die Papiere und fielen leise raschelnd in den Sand.



Der Mann drehte sich um und verließ langsam das Grubengelände. Sein letzter Gedanke war:

"Arme Pferde".







4.4
Diese Geschichte widme ich stellvertretend für die vielen Grubenpferde dem letzten Grubenpferd des Ruhrgebietes, Tobias.

Tobias beendete sein unterirdisches Leben im Juni 1966 und konnte den Schacht "General Blumenthal" verlassen und in Rente gehen. Die Rente wurde an einen ehemaligen Bergmann gezahlt, der Tobias bei sich aufnahm und ihm sein Gnadenbrot gab.

Er hatte bis zum letzten Tag auf einer 700m-Sohle Hunte mit Steinkohle gezogen.
Gedicht
Knallebumm







So schwarz weint keine Nacht am schwarzen Gitter
Wie in dem schwarzen Schacht das blinde Pferd.
Ihm ist, als ob die Wiese, die es bitter
In jedem Heuhalm schmeckt, nie wiederkehrt.

Es wittert durch das schwarze Fleisch der Steine
Den Tod und sieht ihn mit den toten Augen an,
Und ist mit ihm die ganze Nacht alleine
Und geht nur widerwillig ins Gespann.

Der Knabe, der es durch die Gänge treibt,
Will es mit Brot und Zucker fröhlich machen.
Es kann nicht mehr wie andere Pferde lachen.
In seinen Augen wurmt die Nacht und bleibt.

Nur manchmal, wenn mit dem Geruch von Laub
Waldfrisches Holz nach unten wird gefahren,
Hebt es den Kopf und beißt sich in den Haaren
Des Knaben fest und stampft ihn in den Staub.

Und rast durch schwarzer Schächte Labyrinth
Und stürzt im Flieh'n die steile Felsentreppe
Herab und wiehert durch die grüne Steppe,
Auf der die toten Pferde mächtig sind.


Paul Zech








Dies und Das

Impressionen
Julbrygd
gemaltes Bild, Maler der Redaktion bekannt
Leserbrief (SE)
Silver Nail
Leserbrief (WE)
Kendra Horses


Das Tagebuch ist super, lese das sehr gern. Weiter so!


Impressionen
Julbrygd
Was zum Schmunzeln
Ein Pfarrer will sich ein Pferd kaufen und geht zum Pferdehändler:

"Ich kann ihnen dieses Pferd wärmstens empfehlen. Bei 'Gott sei Dank' rennt es los und bei 'Amen' bleibt es stehen."

"Gut, das nehme ich."

Der Pfarrer reitet los. Nach einiger Zeit merkt er, dass sein Pferd geradezu auf eine Klippe zu rennt. Vor Schreck kann er sich nicht mehr an das Wort erinnern, mit dem er das Pferd anhalten kann.

Also betet er: "... Amen!"

Das Pferd bleibt wie angewurzelt vor der Klippe stehen.

Daraufhin seufzt der Pfarrer: "Gott sei Dank!"...


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